Zur Skulptur von Stefan Sous
Kurt Wettengl
Der Platz von Amiens, für den Stefan Sous seinen „Chip“ entwarf, wird an drei Seiten von Gebäuden umfasst: von den Rückseiten des Museums für Kunst und Kulturgeschichte und des über Eck angrenzenden Bürogebäudes sowie dem Bürohochhaus der RWE. An der vierten Seite führt eine Treppe auf den Platz mit wenig Aufenthaltsqualität. Seine Fläche ist mit grauen Steinplatten belegt. Zwischen ihnen laufen strahlenförmig mehrere Fugen auf den verglasten und einladenden Eingangsbereich des Turms zu. Im Grunde gehört der Platz zum Eingangsbereich des Hochhauses. Ein belebter Ort des Verweilens ist er nicht. Stefan Sous reagiert auf diesen schwierigen Raum mit einer bildhauerischen Gestaltung, die sich farblich und in seiner ovalen Ausgangsform einerseits an dem linsenförmigen, schwarzen Hochhaus von Gerber Architekten ausrichtet. Andererseits aber setzt sich sein Kunstwerk deutlich von diesem klar gegliederten Bauwerk ab. Der Künstler entwarf eine Skulptur in einer schwer identifizierbaren Gestalt. Der „Chip“ ist aus planen und gewölbten Blech-Segmenten zusammengeschweißt, aufgeblähte und einsinkende Formen kontrastieren mit abfallenden Flächen, rundliche Formen mit klaren und scharfen Kanten. Als hohler Stahlkörper ausgeführt, liegt er durch sein eigenes Gewicht fest auf. Die Skulptur hat eine relativ kleine Standfläche, sodass sie zu schweben scheint.
Ihre Anmutung, ihre Formen und ihre Höhe wie ihre Materialität erscheinen anders, je nachdem, aus welcher Richtung oder aus welcher Höhe man auf sie schaut. Gleich hingegen bleibt ihre Rätselhaftigkeit.
Hilft der Titel „Chip“ hier zur Entschlüsselung weiter? Ein Chip kann eine geldwerte Marke sein, eine in Fett gebackene Kartoffelscheibe oder auch ein Speicher für Informationen. Mit keinem dieser Objekte hat diese Skulptur etwas gemeinsam. Ein „Chip“ ist in deutscher Übersetzung aber auch ein Splitter und in diesem Sinne charakterisiert dieses Wort die Skulptur mit ihren scharf geschnittenen Kanten. Aber wozu gehört sie, wenn sie Teil eines größeren Gebildes ist? Der Fremdartigkeit kommt man auch auf diesem Wege nicht wirklich näher – und das ist Absicht. Es bleibt die Rätselhaftigkeit des Objekts inmitten eines städtischen Gefüges, das aus rational geplanten Abläufen und transparenten Strukturen besteht und dennoch alltäglich vieles im Irrationalen und Unbestimmten belässt. Seinem Exposé zum Entwurf fügte Sous einen Wortwechsel aus dem Film Star Trek I bei. Nachdem Kirk feststellte, dass „da draußen“ ein Ding sei, fragt ihn Pille: „Wieso wird jedes Objekt, das wir nicht kennen, immer als ‚Ding‘ bezeichnet?“ Hierauf antwortet Kirk mit einem: „So ist es eben.“
Es ist amüsant, sich diesen Dialog zwischen Mitarbeiter_innen in einem der umliegenden Gebäude oder zwischen Passant_innen vorzustellen. Sollte er nicht ebenso lapidar enden, sondern das „Ding“ von Sous fantasievollen Vorstellungen und offenen Begegnungen mit dem Ungewohnten Anlass bieten, wäre es im Sinne des Künstlers und aller, die an der Entscheidung und Realisierung beteiligt waren.
Wettbewerb Stadt Dortmund
Jury*
- Prof. Eckhard Gerber, Architekt, Dortmund
- Dr. Ulrike Groos, Direktorin Kunsthalle Düsseldorf
- Birgit Jörder, Bürgermeisterin der Stadt Dortmund
- Berthold Reinartz, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung der Sparda-Bank West, Düsseldorf
- Manfred Stevermann, Vorstand der Stiftung der Sparda-Bank West, Düsseldorf
- Jürgen Thurau, Mitglied des Kuratoriums der Stiftung der Sparda-Bank West, Düsseldorf
- Renate Ulrich, Referentin für Bildende Kunst / Kunst und Bau, Staatskanzlei NRW, Düsseldorf
- Prof. Dr. Kurt Wettengl, Direktor Museum am Ostwall, Dortmund
- Dr. Knut Zschiedrich, Vorstandsvorsitzender RWE Westfalen-Weser-Ems AG, Dortmund
*Bezeichnung der Jury zum Zeitpunkt der Ausschreibung 2006
Eingeladene Künstler_innen
- Claus Bury, Frankfurt am Main
- Leni Hoffmann, Düsseldorf
- Gereon Krebber, London, Großbritannien
- Burkhard Jankowski, Dortmund
- Anny und Sibel Öztürk, Frankfurt am Main
- Stefan Sous, Düsseldorf
- Wolfgang Winter und Berthold Hörbelt, Frankfurt am Main
Zu Stefan Sous
- * 1964 in Würselen / Aachen
- 1990–1996 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf
- 2002 „UVA-UVB“-Lichtbänke, Hofgarten Düsseldorf
- 2005 „Souterrain“, Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg
- 2008–2014 „Skulptur für repräsentative Vorfahrt“,
- Bundesnachrichtendienst Berlin
- 2009 „High Fidelity“, Havanna, Kuba
- 2018–2019 „Zeitmaschine“, Foyer, Humboldt-Forum, Berlin
Stefan Sous lebt und arbeitet in Düsseldorf.
www.stefansous.de